So, nun versuche ich, meine Eindrücke und umfangreichen Notizen von gestern mal zu sortieren. Fotos der Veranstaltung selbst habe ich leider nicht, weil hier mein Kamera-Akku den Dienst eingestellt hat. Gezeigt wurden im Wesentlichen Entwürfe eines künftigen Bebauungsplans, die z.T. schon bekannt waren, z.T. sicher bald im Netz erscheinen, von daher sollte das zu verschmerzen sein. Das Programm des gestrigen Abends und die Liste der anwesenden Projektbeteiligten, gibt es
hier zum nachlesen.
Die Veranstaltung war ausgesprochen gut besucht, zu großen Teilen durch Bewohner der Mierendorffinsel, aber auch Planer der TU Berlin saßen im Publikum. Seitens der Bewohner waren auch Vertreter der vielen auf der Mierendorff-Insel vorhandenen Bürger- und Nachbarschaftsinitiativen vor Ort und haben sich sehr konstruktiv in die Diskussion eingebracht. Seitens des Veranstalters waren Vertreter des Werkbundes, der Kommunalpolitik, Grundstücksbesitzer, Vattenfall (die auf dem Nachbargrundstück ein großes Heizkraftwerk betreiben), Planer und Architekten versammelt.
Die Veranstalter betonen, dass - während im letzten Jahr architektonische Visionen vorgestellt wurden - nun ein Schritt zurück getan wird und man sich um die stadtplanerische Perspektive kümmern muss. Seitens der drei Grundstückseigentümer liegt ein grundsätzliches Bekenntnis für das Projekt Werkbundstadt vor. Aktuell befinden sie sich in der Vorbereitung eines Bebauungsplanverfahrens. Hierfür hat Vattenfall schon ein Lärmgutachten finanziert, das vorliegt und zeigt, dass auf der zum Kraftwerk hin gelegenen Westseite Lärmschutzmaßnahmen notwendig sind, um hier Wohnnutzung zu ermöglichen. Man sieht sich da im guten Dialog. Ansonsten plant man gemäß Berliner Modell 30% preisgebundenen Wohnraum.
Es sollen zwei B-Planverfahren parallel angestoßen werden. Einerseits ein konventioneller Plan, der größtenteils allgemeines Wohngebiet vorsieht, auf dem zum Kraftwerk hingelegenen Drittel des Grundstücks Mischgebiet. Hier soll auch der Stadtplatz mit einem Spielplatz sowie eine Kita entstehen. Der zweite Entwurf orientiert sich an der Vorgabe eines "urbanen Gebiets" und würde greifen, wenn entsprechende Gesetzesänderungen, die eine solche Planung zulassen, rechtzeitig in Kraft treten. So groß schienen mir die substantiellen Unterschiede aber nicht.
Ein Großteil der Gebäude ist sechsgeschossig mit einem zusätzlichen Staffel- oder sonstigen Nicht-Vollgeschoss vorgesehen. Aber auch zwei Hochhäuser mit bis zu 16 Stockwerken sind nach wie vor geplant. Es soll Einzelhandelsflächen in den Erdgeschossen geben, wobei hier keine großen Supermärkte vorgesehen sind, da es diese im Umfeld ausreichend gibt, sondern kleinteiliger Einzelhandel inkl. eventuell einem mittelgroßen Biomarkt. Die Wege zwischen den Gebäuden sollen als private Verkehrsflächen angelegt werden, wobei der öffentliche Zugang gewährleistet werden soll. Ebenfalls interessant ist, dass der B-Plan eine öffentliche Nutzung der Dachflächen für die Gebäudereihe an der Ostgrenze des Areals ermöglichen soll.
Man geht davon aus, dass das Planungsverfahren mindestens noch zwei Jahre in Anspruch nehmen wird, ehe hier tatsächlich Bautätigkeit beginnt.
Eingangs der öffentlichen Diskussionsrunde betonte der Veranstalter sein Interesse an einem öffentlichen Dialog mit Nachbarn und zivilgesellschaftlichen Akteuren auf der Mierendorffinsel. Punkte, die man hier besonders ins Auge fassen will, sind die Vermeidung unerwünschter Aufwertungen und resultierender Verdrängungsprozesse in der Nachbarschaft, nachhaltige Mobilitäts- und Energiekonzepte und die Integration ins Umfeld.
Die einzigen grundlegend kritischen Stimmen aus dem Publikum störten sich an der Planung der beiden doch sehr großen Hochhäuser. Hier wurden sowohl Problemviertel wie die Gropiusstadt als auch Luxus-Eigentumswohnungen a la Living Levels als Befürchtungen ins Feld geführt. Ansonsten wurde der Wunsch nach einer öffentlichen Dachflächennutzung betont, ebenso wie der Wunsch nach sonstigen Allmendeflächen für Werk- und Kommunikationsräume der Zivilgesellschaft. Die Bedeutung der Klimagerechtigkeit - d.h. auch Regenwassernutzung, Verdunstungsflächen etc. - wurde betont und der Veranstalter zu größerer Sensibilität hier augefordert. Eine lokale Verkehrs-AG bot ihre Mitarbeit bei der Integration von Anliegen wie der Reduktion des Individualverkehrs, Car-Sharing usw. an; auch die Initiative
Nachhaltige Mierendorff-Insel 2030 wünscht sich eine Einbeziehung in das Projekt, das sie grundsätzlich als Chance sehen. Der Veranstalter zeigte sich offen überrascht über so viel Zustimmung seitens der Anwesenden.
Einige interessante Punkte noch zum unmittelbaren Umfeld: Vattenfall sagte, dass einige der Gebäude auf dem Nachbargrundstück auf Sicht nicht mehr benötigt werden würden und ein Interesse daran bestünde, diese dann auch ins Quartier zu integrieren. Das betrifft wohl u.a. sehr hübsche alte Fabrikhallen. Grundsätzlich werde der Kraftwerksstandort jedoch erhalten bleiben. Hier wird auch aktuell an der Quedlinburger Straße, Richtung Sömmeringstraße ein neuer Bau verwirklicht:
Ebenfalls interessant ist, dass auf dem gegenüber der zukünftigen Werkbundstadt gelegenen Grundstück an der Quedlinburger Str. zwischen Wernigerroder Str. und Klaustaler Str. parallel auch ein Bebauungsplanverfahren gestartet wird. Dieses gehört allerdings nicht zum Projekt, daher gab es darüber gestern keine weiteren Informationen. Aktuell befinden sich auf dem Grundstück etwas chaotische Flachbauten mit Werkstätten, einem Imbiss und anmietbaren Garagen.
Es tut sich also einiges und die Mierendorffinsel mit ihrer aktuellen Mischung aus Industrie, hübschen, von Altbauten geprägten Straßenzügen und Kleingärten dürfte über die nächsten Jahre sehr interessant zu beobachten sein. Hier abschließend noch ein Blick über die Insel, vom Goslarer Ufer aufgenommen, der diese Mischung ganz gut illustriert.
Alle Bilder sind von mir und gestern (09.03.) aufgenommen.